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Achtung Hochsannung

Text für das Magazin Neues Glas, Ausgabe 1/08, von Constanze Musterer

Die jüngsten Arbeiten des Bildhauers Wilken Skurk erscheinen wie eine verkehrte Welt oder eine Inszenierung der Schwerelosigkeit, vielleicht sind sie aber auch Zukunftsvisionen in manch alten Gewändern? Gemeint ist die 2005 begonnene Werkserie mit Häuser- und Architekturfragmenten, aus der Wilken Skurk als Bildender Künstler für die Arbeit „Berlin II“ den Alexander-Tutsek-Preis 2006 in Coburg erhielt.

Das Material Glas als Basis und tragendes Element in Architekturen, während Aufbauten oder vermeintliche Dächer zumeist aus Bronze gegossen sind, ist von der Konstruktion her selbst in der freien Bildhauerei ein ungewöhnlicher Anblick. Hinzu kommt, dass der Werkstoff Glas in dieser Gattung sowieso eher rudimentär verwendet wird. Für Wilken Skurk hingegen ist er der erste Baustein seiner Skulpturen, dem er andere Materialien wie Bronze, Stahl oder Altsilber hinzufügt. Er schafft mit seinen eigensinnigen Materialkombinationen Verwirrung und doch eine gewisse Selbstverständlichkeit bei der Betrachtung seiner Werke. Es ist offensichtlich, dass der gebürtige Dresdner durch seine Ausbildung als Schmuckgestalter in Köthen den oft hemmenden Respekt vor dem Material überwunden zu haben scheint. Schon damals waren für ihn Größe, Ausdruck und Kraft wesentliche Merkmale seiner Kreationen, die durch ihre Form umso mehr auf die innewohnenden Feinheiten verweisen.

Wilken Skurk arbeitet gegen die Stereotypen und nutzt das Material, was er für seinen künstlerischen Ausdruck braucht ohne dabei an Materialgerechtigkeit zu denken. Das Glas, das er in Stahlformen gießt, wird bei ihm entsprechend großzügig und klotzig in der Form, grob, aber leuchtend vom Material, unbehandelt in der Oberfläche und zeigt eine sonst eher selten zu Tage kommende immense Kraft in seiner offensichtlichen materiellen Verletzbarkeit. Die Spannung des Materials in sich selbst, aber auch in der Konstellation zum kooperierenden Werkstoff verleiht den Skulpturen von Wilken Skurk eine ungeheure Präsenz.

Die Titel seiner Werke geben nicht unbedingt Aufschluss über die Arbeiten, sondern sind sehr persönliche Nennungen. Eine seiner jüngsten abstrakten Arbeiten der Werkserie der Architekturfragmente hat Wilken Skurk „Trafo“ genannt. Die Kurzform für Transformator als Titel erscheint hierbei wie ein Resümee für das, worum es ihm in seinen Arbeiten und als Künstler geht, nämlich eine Energie auf ein anderes Spannungsniveau zu übertragen. Dies gilt einerseits für die Verarbeitungsprozesse der Materialien vom handwerklichen her, aber ebenso für die Erlebnis-, Wahrnehmungs- und Reflektionsprozesse seiner subjektiven Erfahrungen in der Großstadt und den zwischenmenschlichen Beziehungen. All das manifestiert sich in seinen künstlerischen Arbeiten. Eines seiner Charaktermerkmale als Künstler und Privatmensch wird hier ebenso deutlich, denn kleinste Misserfolge dienen ihm als Ansporn für Neues, das Negative wird umgehend in ein Positives übertragen und der innere Motor „Lösungen finden und weitermachen“ ist stets am laufen.

Wilken Skurk studierte direkt nach dem Mauerfall ab 1989 in Berlin Bildhauerei an der heutigen Universität der Künste. Die Stadt Berlin prägt und inspiriert ihn seit dieser Zeit. Hier gab es besonders viele der noch vom Krieg gezeichneten morbiden Häuser und der Häuserlücken, wodurch die für Berlin so prägenden Brandmauern zum Vorschein kamen. Hier war das Zentrum der deutschen Wiedervereinigung und des gewollten Neuanfangs und hier ist entsprechend der Situation der größte Boom der Gentrifizierung, der Sanierungen und der Neuen Architektur. Hier findet Wilken Skurk in den Schuttbergen der Abrissmaßnahmen die Formen für seine Glas- und Metallgüsse, die er in Styropor- und Gipsmodellen verändert, abstrahiert und parzelliert.

Diese Beziehung zur Stadt insbesondere auch in seiner politischen Dimension wird bei Wilken Skurk bereits in früheren Arbeiten sichtbar. In „Global Player“ I und II (2003) transformiert der Künstler zum einen den Mercedesstern und zum anderen das Logo der Deutschen Bank derart, dass die großen Skulpturen aus Glas und Stahl zu Wesen einer Science Fiction-Episode mutieren. Den ersten Arbeiten der Werkserie der Architekturen, die noch eindeutig als Häuserfragmente erkennbar sind, gab er explizit die Titel „Berlin“ (I-III). Mit ihren Glasfundamenten und gläsernen Mauern könnten sie eine neue, transparente und zukunftsweisende Architektur symbolisieren. Die Dachkonstruktionen und aufliegenden Geschosse aus jeweils unterschiedlich patinierter Bronze hingegen erinnern unweigerlich an die für Berlin so typischen Altbauten. Kann sozial und politisch gewachsene Historie mit auferlegter Innovation fusionieren und zu einer Symbiose werden? Leider scheint dies nur in den seltensten Fällen zu funktionieren und die beispielhaften Manöver um den Palast der Republik und den Wiederaufbau des Stadtschlosses ließen Wilken Skurk bei diesem Diskurs als romantischen Visionär dastehen. Materialspannungen als symbolische Hochspannung der Diskussion?

Wilken Skurk wird in seinen jüngeren Werken zunehmend abstrakter und man könnte meinen, er wolle sich dieser ideellen Symbiose annähern ohne aber zu beschönigen. Die Glaselemente wirken wie kräftige Eisblöcke mit einer zum Teil undefinierbaren Oberflächenstruktur, während die Elemente aus Bronze zu wahrhaftigen Fragmenten von Architekturen werden. Es gibt keine schützenden Dächer mehr, dafür offene, aber auch gewaltvolle Formen. Sind es Vorformen einer neuen Architektur oder Memoiren an die Ruinen? Durch diese assoziative Freiheit wird die Spannung auf die materiellen Formen fokussiert.

Wilken Skurk ist kein konzeptioneller Künstler. Alle seine Werke erzählen, in einer zurückhaltenden Sprache, auch von den zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Energien und Gefühle, die er hier erlebt und wahrnimmt transformiert er auf seine künstlerische Arbeit. So erklärt sich die geballte und leuchtende Kraft im Glas, das dennoch Spuren von Verletzungen zeigt, die gläserne Transparenz, die dennoch nicht durchsichtig ist und die so gar nicht perfekte Form seiner jüngeren Werke. Jetzt zeigt sich, warum vielleicht gerade Glas das geeignete Ausdrucksmittel für Wilken Skurk ist. Architekturen als persönlicher Wohnbereich sind folglich in seiner Werkreihe der Architekturfragmente ebenso impliziert. Doch die damit gekoppelten Synonyme wie Behaglichkeit, Schutz, persönlicher Rückzug und Intimität werden knallhart von ihm hinterfragt. Zerbrochene Dächer, raue, scharfe Kanten und Oberflächen, umgedrehte Sphären zeugen nicht gerade von einer immerwährenden und gelebten Gemütlichkeit. Und doch gibt es immer eine stabile Basis und keine sichtbare Einsturzgefahr. Der Mensch ist ein Haus, diese Symbolik ist spätestens seit der Traumdeutung von Sigmund Freud bekannt. In diesem Zusammenhang beginnen die Architekturen von Wilken Skurk, persönliche Geschichten zu erzählen und die Titel können plötzlich doch Aufschluss geben über jede einzelne Arbeit von ihm.

Achtung Hochspannung!

 

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